Dienstag, 21. Januar 2014

Novag Expert Evolution

Die Firma NOVAG zählt zum Urgestein der Schachcomputergeschichte. In den ersten Jahren produzierten sie lediglich Schachcomputer für den Massenbedarf, doch mit Einstieg von Dave Kittinger als Programmierer positionierte man sich auch im gehobenen Preissegment.

Prototyp XY-Monster
Mit dem Savant und Robot schuf man zwar preisgekrönte Designobjekte, doch die Verkaufszahlen waren eher gering. Anfang der 80er Jahre begann der Siegeszug der Schachcomputer im Holzgewand mit Magnetsensoren, die ein komfortables Spiel gegen den Computer ermöglichten. Erst ab Mitte der 80er Jahre sollte sich NOVAG hier eines besseren besinnen. Auf der Nürnberger Spielwarenmesse 1985 präsentierte man einen Prototypen namens "XY-Monster" - später auch Blitzmonster getauft. Wie auf dem Foto gut zu sehen, hatte dieser noch Rand-LEDs und ein kleines Display. In Blitzpartien auf der Messe sorgte es für Furore, indem es sogar GM Hort lange Paroli bot - siehe nebenstehende Notation.

Ende 1985 wurde aus dem Prototypen ein heutiger Klassiker - der Constellation Expert. Ein wunderschönes Holzbrett mit 64 Feld LEDs und Magnetsensoren. Innen mit 4 MHz (später auch 5 MHz) getaktet und einem verbesserten Super Constellation-Programm, welches auch den schönen, spekulativen PSH-Stil zelebrierte. Einziges Manko: ein Display fehlte! Stattdessen konnte man die Stellungsbewertung + Hauptvariante über den seitlich ansteckbaren Drucker auswerfen. Über A5-A8 LEDs ließ sich zusätzlich die Rechentiefe anzeigen; eine nette Idee.


Super Expert C 6 MHz
Bis nur nächsten Evolutionsstufe sollten ein paar Jahre vergehen, bis Novag Anfang 1988 den Super Expert auf den Markt brachte. Die ersten Versionen waren umgebaute Expert - leicht zu erkennen an der neben dem Spielfeld aufgeklebten Folie im Holzdekor. Optisch misslungen! Umso erfreulicher das nun verbaute 16-stellige Punktmatrixdisplay und eine bis heute unerreichte Anzahl von "Features". Man fühlte sich als Herr der (Bedien-)Knöpfe!

Etwa mit Veröffentlichung der B-Version, ca. Mitte 1989, hatte Novag eine etwas vergrößerte Variante des Super Expert hergestellt. Nun endlich mit schönerem Bedienfeld aus Holz und teilweise neuer Tastenbelegung. Die Spielstärke der "B" und später auch der "C"-Version lag rund 100 ELO höher, wobei der verbaute 6 MHz Quartz (gegenüber 5 MHz) seinen Teil dazu beitrug. Mit einer variablen Selektivität von 0-7, konnte Novag verlorenes Terrain wieder wett machen - Suchtiefe war das Zauberwort.

Mit der C-Version waren die Tage der 8-Bitter gezählt. Unter dem Namen Novag Diablo wurde das Gehäuse des Super Expert mit einem 16-Bit Programm von Kittinger und Hash Tables bestückt, jedoch ohne durchschlagenden Erfolg. Die anderen Hersteller setzten mittlerweile 32 Bit und RISC Prozessoren ein, weshalb der Diablo selten über den Ladentisch ging und heute ein gefragtes Sammlermodell ist.

Zum Abschluss eine Partie des ersten Expert gegen den Super Expert C6: folgt!!

Sonntag, 19. Januar 2014

Ein Superstar in Leiden

Im Turniersaal
30. November 2013: Morgens um kurz nach 6 Uhr mache ich mich auf zu meiner ersten Turnierteilnahme in Leiden beim 27. Gebruikerstoernooi mit einer ELO Grenze bis 1700. In Tilburg treffe ich mich mit dem bekannten Sammler und Schachcomputerliteraten Hein Veldhuis. Er geht mit dem Fidelity Super 9 an den Start.

Pünktlich treffen wir im Denksportcentrum Leiden ein. Mehrere Turniersäle stehen hier zur Verfügung für Schach, Backgammon, Dame, Bridge & Co. inklusive einer kleinen Bewirtung mit Getränken, diversen Broodjes oder auch Hamburgern. Sowas wünscht man sich hierzulande für die Schachklubs, statt der meist kleinen Kammern in Gasthäusern.

Alle Schachcomputer werden ausgepackt, wobei es natürlich einiges zu bestaunen gibt. Zunächst das aktuelle Non-plus-Ultra, den Revelation II von Ruud Martin. Desweiteren einen selbstgebauten Schachcomputer in Turniergröße, der optisch an den Fidelity Prestige erinnert. Eingebaute Hardware: Eine Platine mit 68040 Prozessor und der Version 10 von den Spracklens. Diese Stücke spielen natürlich nicht mit im Turnier, da einer ganz anderen ELO-Klasse zugehörig.

Auffälligste Teilnehmer im U1700-Turnier:
Dagegen wirkt mein SciSys Superstar 36K eher unscheinbar. Der 36K wurde nur in einem kurzen Zeitraum 1984 verkauft, ist deshalb selten anzutreffen. Auch sind nur wenige gespielte Partien von ihm bekannt, was es für mich umso interessanter macht ihn im Turnier einzusetzen. Gleich in der 1. Runde treffe ich auf Hans mit seinem Prestige I.

SciSys Superstar 36K
1. Runde: Zunächst muss ich mich an eine Eigenheit der Turniere in Leiden gewöhnen; es wird mit Schachuhr gespielt! Dies bietet einen zusätzlichen Spannungseffekt, aber anfangs vergesse ich häufiger diese rechtzeitig zu betätigen und gerate ca. 5 Minuten in Nachteil. Prestige leistet sich in der Eröffnung einen Lapsus, weil er keine Zugumstellung beherrscht. Im Damengambit versucht er den Bauern zu halten, danach steht der Superstar lange gut, erreicht aber nichts. Das Endspiel endet in einem Blitzduell, die Spielstufe mittlerweile auf 5 Sek/Zug gestellt. Prestige gewinnt einen Bauern und am Ende auch die Partie.

2. Runde: Mit Schwarz gegen Olafs Alexandra. Der Superstar 36K eröffnet spektakulär mit Wolga-Benkö-Gambit und bleibt bis zum 7ten Zug in der Bibliothek. Überhaupt muss ich sagen, dass die gespeicherten Eröffnungen oft sehr gut zum Stil des Superstar passen. Allerdings greift er in dieser Gambiteröffnung mit dem ersten berechneten Zug daneben. Die Verwicklungen sind für beide Computer zu unübersichtlich und nach einem großen Abtausch bis ins Endspiel fehlt Alexandra ein entscheidendes Tempo, um den Th1 zu aktivieren. Das langt zum Sieg für Superstar 36K.

3. Runde: Gegen den CXG Chess 3000 erspielt sich der Superstar mit Weiß im Mittelspiel einen klaren Vorteil, doch das Zeitmanagement macht ihm erneut einen Strich durch die Rechnung. Ab dem ca. 50. Zug muss ich auf Blitzstufe umstellen und im 67. Zug wirft er mit einem Patzer die Partie weg - schade!

4. Runde: Superstar 36K gegen das Ungetüm Novag Robot, bedient von Henk. Wir spielen ohne Uhr, da die Ausführung der Züge mit Greifarm den Robot doch arg benachteiligen würde. Obwohl der Robot bereits im 2ten Zug aus der Bibliothek fliegt, hält er sich bis ins Mittelspiel gut, um dann in eine Mattfalle zu laufen.

Turniersieger Hans mit Maskottchen;-)
5. Runde: In der letzten Partie gibt es ein Bruderduell gegen den SciSys Astral, ein weiteres Programm von Julio Kaplan. Bis zum 11ten Zug bleiben beide in der Bibliothek, danach aktiviert der Superstar seine Dame, nistet sich in der gegnerischen Stellung mit einem Freibauern auf D3 ein. Doch er schafft es nicht dies in einen entscheidenden Vorteil zu münzen, bis der Astral seine Grundreihe vernachlässigt - der Freibauer rennt zur Dame.

Alle Partien zum Nachspielen befinden sich HIER!
Weitere Fotos auf der Seite des CSVN.

Das Turnier hat allen Beteiligten viel Spaß gemacht und es wird nicht die letzte Teilnahme sein. Vielen Dank an alle für die netten Gespräche.

Der nächste Termin wird ca. Mai/Juni 2014 sein.

Die Abschlusstabelle lautet:



Rank
NameFlagsScoreFed.M/FRatingTPRW-WeBHSB12345
1 Prestige 14.5M00014.512.751½111
2 Phantom Force3.5M00013.58.251½½1½
3CXG Enterprise3.5M00013.57.251101½
4 CXG 30003.0M00012.06.0½½101
5 SciSys Superstar 36K3.0M00011.03.501011
6 Super 92.5M00015.56.5½1½0½
7 CXG Professor2.5M00011.55.75½½01½
8 Sargon 42.0M00016.04.510100
9 Astral2.0M00011.03.25½0½10
10 SciSys Turbo S-24K2.0M0008.02.001½0½
11 Excalibur Alexandra1.0M00011.01.2500½0½
12 Novag Robot Adversary0.5M00012.50.500½00

Donnerstag, 8. August 2013

Gut Holz - Oldie Turnier 2013

Nach langer Zeit starte ich wieder ein Turnier; natürlich unter Beteiligung der geliebten Oldies aus den 80er Jahren. Thema dieses Mal: HOLZ! - möglichst auf großen Turnierbrettern mit Magnetsensoren.

Herausgekommen ist folgendes Teilnehmerfeld:

- Conchess Monarch T8
- Fidelity Elite Glasgow 8MHz
- Fidelity Playmatic S
- Fidelity Prestige II
- Mephisto Amsterdam
- Mephisto Glasgow III S
- Mephisto Rebell 5.0
- Novag Constellation Expert
- Saitek Analyst B 8MHz
- SciSys Maestro 4MHz

Eventuell kommen noch zwei "Holzer" dazu. Dazu und den ersten Matches im Turnier später......





Mittwoch, 3. April 2013

Master Chess Trio - Gruenfeld/Morphy/Capablanca

Das Master Chess Trio
Die Großmeister bitten zum Spiel! Bereits der erste Schachcomputer der Fa. Chafitz, kokettierte durch die Namensgebung "BORIS" mit dem GM und Ex-Weltmeister Boris Spassky. Die Nachfolgefirma Applied Concepts hatte dann 1981 die Idee ihre neuen Schachmodule für das Modular Game System (kurz MGS) nach bekannten Meistern der Schachgeschichte zu benennen.

Übergang zum Endspiel
Morphy Edition Master Chess: Den Anfang machte die Morphy Edition, benannt nach Paul Morphy, dem zeitweise stärksten Schachspieler im 19. Jahrhundert. In der englischen Anleitung wird dieser mit einem kurzen schachhistorischen Lebenslauf vorgestellt, was dem Käufer wohl suggerieren sollte ein sehr spielstarkes Produkt erworben zu haben. Immerhin zählte das Modul 1981 zu den stärksten auf dem Markt. Hierzu gibt es es Anekdote: Bei der 11. Nordamerikanischen Computermeisterschaft (ACM 1980) gab es einen Streit zwischen den Programmierern des Vorgängers Sargon 2.5 - dem Ehepaar Spracklen - und dem Programmierer des späteren Morphy Moduls - John Aker. Diesem wurde vorgeworfen lediglich kleine Veränderungen an Sargon vorgenommen zu haben, weshalb ihm die Teilnahme am Turnier verweigert wurde.

"But Boris X, despite registered, finally did not play the ACM 1980. Kathe Spracklen had filed a protest, claiming Boris X is too similar to Sargon 2.5, and requested mutual comparison of the source code. After John Aker admitted that Boris X was a revamped Sargon 2.5, Boris was rejected" (Link: ChessProgramming WIKI)

In der Tat liegen Sargon 2.5 und Morphy auch in der aktuellen Aktivschach-Liste bei schachcomputer.info nah beieinander (1408 zu 1444 ELO). Eine genauere Analyse des Spielverhaltens müsste aber noch geprüft werden.

Die Morphy Edition kam zunächst als Universal Modul heraus, erst später produzierte Applied Concepts die Zusatzmodule für Eröffnung und Endspiel.


END OF BOOK
Gruenfeld Edition Master Chess Openings: In Zusammenarbeit mit dem FIDE Master John Jacobs entstand dieses Modul, benannt nach dem österreichischen Großmeister Ernst Grünfeld. Mit ca. 3000 gespeicherten Eröffnungszügen war man der Konkurrenz zu der Zeit weit voraus. Das erweiterte Modul Gruenfeld-S hatte sogar eine Bibliothek mit 7000 Zügen. Erst Fidelity mit den Eröffnungsmodulen CB9 und CB16 konnte hier Paroli bieten.

Wie nutzt man nun das Gruenfeld Modul? Ganz einfach: Man beginnt die Partie mit dem Gruenfeld oder Gruenfeld-S Modul und die Züge werden sofort aus der Bibliothek gespielt. Sobald kein Zug mehr gespeichert ist, erfolgt die Anzeige "END OF BOOK" im Display. Bei weiteren Tastenbetätigungen auch "MIDGAME". Der Wechsel auf das nächste Schachmodul (Morphy/Sandy, Sargon 2.5 oder sogar Steinitz) geht wie folgt:

1. RANK Taste drücken
2. Schalter von ON auf MEM
3. Modul wechseln
4. Schalter von MEM auf ON

Die gespeicherten Eröffnungsvarianten sind sehr breit angelegt -u.a. Gambits und Flankeneröffnungen - dafür enden viele bereits nach wenigen Zügen. Ein Tipp zur Unterscheidung der beiden optisch gleichen Module: Nur das Gruenfeld-S kennt auch Antworten auf Albins Gegengambit (mit Weiss) und Blackmar-Diemer (mit Schwarz).
MGS mit Capablanca und Stellungsbewertung

Capablanca Edition Master Chess Endgame: Der große Endspielkünstler und Schachweltmeister Jose Raul Capablanca stand hier Pate. Wahrscheinlich würde er sich im Grabe umdrehen, angesichts der Fähigkeiten seiner Computerausgabe. Was es dabei aber zu bedenken gilt: Bis in die 90er Jahre war das Endspiel die große Schwäche von Schachcomputer. Erst durch den Einsatz von Hash Tables konnte dies erheblich verbessert werden. Nichtsdestotrotz ist das Capablanca Endspiel Modul im Jahr 1981 eine Besonderheit. Es ist das erste Mal, dass ein Hersteller sich dem Thema Endspiel annimmt. Gerade die verbesserte S-Version ist zu empfehlen. So beherrscht es die Opposition/Fernopposition, die Mattführung mit Läufer+Springer in Ansätzen und ist durch die Anzeige von Suchtiefe, Stellungsbewertung und Hauptvariante auch komfortabler in der Bedienung als sein Vorgänger.

Theoretisch spielt das Capablanca Modul auch direkt im Anschluss an das Gruenfeld Modul - quasi als Mittel- und Endspielmodul. Hier müssen Tests zeigen, wie es diese Partiephase beherrscht. In der Regel wird es allerdings erst im Übergang zum Endspiel genutzt. Während das Morphy/Sandy Modul den Wechsel selbstständig durch einen Punkt im Display anzeigt (siehe Foto unter Morphy), entscheidet dies der Bediener beim Sargon 2.5 nach eigenem Gusto. Nach meiner Erfahrung kann man das Capablanca schon zwischen dem 25-30 Spielzug einsetzen, entgegen der Empfehlung der Herstellers.

Für kurze Zeit konnte Applied Concepts durch die verschiedenen Module die
Wettbewerbsfähigkeit erhalten, doch der Zahn der Zeit nagte an dem Konzept. Sensor- und Magnetbretter waren gefragter und auch in der Spielstärke verlor man zusehens den Anschluss. Mit der Steinitz Edition versuchte man verlorenes Terrain zurückzuerobern, aber die Tage der Firma waren gezählt.

Zwei schöne Partiebeispiele vom Master Chess Trio stammen aus meinem Oldie-Turnier "Die Klasse von 1984":

Master Chess Trio S-Mephisto Mirage 1:0
SciSys Turbostar KSO-Master Chess Trio S

Freitag, 29. März 2013

B & B = Brikett + Brett

Wir schreiben das Jahr 1980. Der Markt für Schachcomputer steigt rasant und bringt den Produzenten aus USA und Hongkong fette Gewinne, da meldet sich plötzlich eine kleine Technikschmiede aus Deutschland mit einem schwarzen Kasten und rotem Schriftzug - der Mephisto I alias "Brikett" ist geboren.

Gerade in Europa erzielte dieser kleine schwarze Kasten einen ungewöhnlich erfolgreichen Einstand und setzte sich direkt an die Spitze der Verkaufszahlen, begleitet von einem professionellen Marketing. Erste Furore machte er beim Turnier Micro 80 in Stockholm, wo er den 1. Platz belegte.

Schon frühzeitig erkannte man bei Hegener + Glaser, dass ihrem Produkt etwas fehlt: ein passendes Brett! So produzierte man eine Luxusausführung des Mephisto I in einer schönen weinroten Lederschatulle.

Ende 1981 kam der stark verbesserte Nachfolger Mephisto II auf den Markt, äußerlich nur durch einen zweiten Schaltknopf zu erkennen. Ursprünglich sollte dieser an der 2. Microcomputer Weltmeisterschaft in der kommerziellen Gruppe teilnehmen, aufgrund Kontroversen mit der Turnierleitung (bemängelt wurde der zu späte Produktionsbeginn im November nach der WM) zog Hegener + Glaser seine Meldung komplett zurück.

ESB = Elektronisches Schach Brett
Technisch konzentrierte man sich nun auf die Entwicklung von Sensorbrettern und mit dem ESB II (später ESB 6000) hatte man endlich ein turniergroßes Magnetsensorbrett im Programm. Das Schachprogramm des Mephisto ESB befand sich seitlich untergebracht, in den ersten Modellen fest verdrahtet, später einfach mit einem Flachbandkabel verbunden. Die Optik der ESB-Bretter wurde, in leicht abgewandelter Form, auch für die Serien München, Bavaria und Turniermaschinen beibehalten.

Wem die Holzbretter zu groß waren, der konnte sich das kleinere ESB 3000 zulegen. Unverkennbar ist hier das spätere Mephisto Modular vorweggenommen.


Mephisto III im Koffer
Mit dem Mephisto III ging Hegener + Glaser, resp. die Programmierer Nitsche & Henne, einen riskanteren Weg. Noch selektiver in der Suche, minimaler Brute-Force Sockel und nur 1-2 Stellungen pro Sekunde. Das Ziel war eine möglichst menschenähnliche Spielweise. So etwas gab es vorher nicht und wurde auch danach in dieser radikalen Art nicht mehr versucht. Genau aus diesem Grund sind der Mephisto III Brikett und seine Artverwandten 16-Bitter (Excalibur,  Mephisto III Glasgow) heutzutage sehr gefragt und geradezu Kultgeräte. Doch der riskante, manchmal mit taktischen Aussetzern gespickte Spielstil, brachte anno 1983 nicht den gewünschten Erfolg. Vielmehr kritisierten viele Käufer die mangelnde Spielstärke im Schnellschach und so waren die Tage der "Briketts" gezählt.



Donnerstag, 22. November 2012

Remote Control Systems: RCS Granit/Granit S

RCS Granit S ©Steve Blincoe
Die Geschichte der Firma RCS (Remote Control Systems) ist untrennbar verbunden mit dem Namen Peter Reckwitz. Bis Mitte der 80er als Geschäftsführer von Fidelity Deutschland tätig - siehe auch der Artikel zum Playmatic - spezialisierte er sich mit RCS auf ein Tuning von Schachcomputern. Meist handelte es sich dabei um den Fidelity Elite oder Prestige, doch ab Anfang 1986 gab es den ersten in Eigenregie vermarkteten Schachcomputer: Den RCS Granit für 749 DM.


Granit-Prototyp aus
Schachcomputer Edition 21

Als Gehäuse wurden Restexemplare des Playmatic S verwendet und mit einem 6,5 MHz Excellence-Programm bestückt. Erste Prototypen liefen mit 5,5 Mhz in einem ultraflachen Kunststoffbrett, ähnlich dem Elite Privat. Der holländische Supertester Jan Louwman prüfte den Granit auch direkt auf Herz und Nieren - siehe Tabelle 1 unten.

Die einzige komplette Partie, die mir vom Granit vorliegt, stammt aus dem 1. AEGON-Turnier 1986, 3. Runde gegen einen ELO 2000-Spieler.

Stellung vor 19.Lxh7+
A. Münninghoff - RCS Granit
1.c4 Sf6 2.Sc3 e6 3.e4 d5 4.e5 d4 5.exf6 dxc3 6.bxc3 Dxf6 7.d4 c5 8.Sf3 cxd4 9.Lg5 Df5 10.Ld3 Da5 11.0–0 Sc6 12.cxd4 Sxd4 13.Lf4 Lc5 14.Le5 Sxf3+ 15.Dxf3 0–0 16.Tab1? Lxf2+ 17.Txf2 Dxe5 18.Tb5 Dc7 19.Lxh7+! Kxh7 20.Th5+ Kg8 21.Dh3 f5 22.Th8+? [22.Th7 Kf7 23.Dh5+ Kf6 24.Dh4+ Dauerschach] 22...Kf7 23.Dh5+ Ke7 24.Dg5+ Ke8 25.Th7 Tg8 26.Td2 Db6+? 27.Kf1 Kf7 28.Dh5+ Kf6 29.Dh4+ g5 30.Th6+ Tg6 31.Dh5 Db1+ 32.Kf2 f4 33.Th8 Db6+ 34.Kf1 Dc5 35.Thd8 Dxc4+ 36.Kf2 Dc5+ 37.Kf1 Db5+ 38.Kf2 Db6+ 39.Kf1 Dc5 40.Dh8+ Kf5? [40...Tg7 41.Tg8 Dc4+ mit Dauerschach] 41.Dh3+? [41.Tf8+ Dxf8 42.Dxf8+ Tf6 43.Dc5++-] 41...g4? RCS Granit will kein Remis 42.Dh5+ Tg5 43.Df7+ Ke4 44.Te2+ De3 45.Txe3+ 1:0


56...Kg6? verliert
Bereits im Sommer 86 kam der Nachfolger - kurz RCS Granit S benannt, versehen mit dem stärkeren Par Excellence-Programm und in ein Sensory 12 B Gehäuse verpackt; wiederum mit 8 MHz. Auch hier lieferte Jan Louwman schnell Ergebnisse - siehe Tabelle 2 unten. Das Turnierdebüt im Porz Open 1986 war denkbar schlecht für den RCS Granit S; nur 2,5 Punkte aus 7 Spielen. In der Partie gegen Reuter wirft der RCS Granit S ein Remis im Endspiel weg. Statt 56...Kf6 oder Kh6 spielt er Kg6?, damit ist die Opposition dahin.

Dies offenbarte auch gleich das Dilemma: Die getunte Kiste konnte zwar gegen die stärksten Schachcomputer mithalten, mehr aber auch nicht. Zudem bot die Konkurrenz in punkto Ausstattung wesentlich mehr Komfort und vor allem ein Display. So verschwand der Granit (S) schnell in der Versenkung und es dürften nur sehr wenige Geräte im Umlauf sein.


aus CSS 5/1986
Ende 1986 unternahm Reckwitz nochmals einen Versuch seine Fa. RCS als "Tuning-Spezialist" zu positionieren, in Zusammenarbeit mit der Fa. HCC. Dies zur Verwunderung vieler aus der Szene, da seit dem Disput während der WMCCC 1983 Budapest das gespannte Verhältnis zwischen P. Reckwitz und O. Weiner bekannt war. Ein detaillierter Artikel hierzu findet sich in der CSS 1/1984.

Neben Tunings für Fidelity Schachcomputer, findet man in der nebenstehenden Anzeige aus CSS 5/1986 auch Angebote für schnellere Mephistos.

Danach wurde es ruhig um die Mülheimer Hardware-Schmiede. Mit einer traurigen Meldung in CSS 4/1989 endete das Kapitel: Peter Reckwitz ist am 15. Juni 1989 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt.



Tabelle 1: RCS Granit




 






Donnerstag, 8. November 2012

Der futuristische Mark V

"Einer wie keiner", das fällt mir spontan zum SciSys Mark V ein. Erschienen 1981 war bereits sein äußeres Erscheinungsbild aus dem Rahmen fallend. Mit seinen klaren, strengen Formen wirkte er ganz reduziert und minimalistisch, im Gegensatz zu vielen anderen Schachcomputern, die eher mit Opulenz und Größe punkten wollten. Das eingebaute, hintergrundbeleuchtete LCD-Schachbrett des Mark V war zu dem Zeitpunkt einmalig. Alle Züge werden auf diesem per Cursor oder über Koordinaten eingegeben und zusätzlich auf einer Kommentarzeile unterhalb angezeigt.

Doch nicht nur das, der Mark V bietet eine Vielzahl von Informationen und Features.
  • Stellungsbewertung mit Hauptvariante (2 Züge)
  • Anzeige von Matt in ...
  • Remis in allen Varianten (Stellungswiederholung, 50 Züge-Regel, Patt)
  • Selbstständiges Remisangebot und Partieaufgabe
  • Partiewiederholung
  • Schachuhr
  • Kommentare wie "einziger Zug" oder "erzwungen"
  • Simultanspiel bis zu 12 Partien
  • Problemstufe mit Überprüfung von Nebenlösungen
Gerade die Möglichkeit Schachprobleme nach Nebenlösungen zu überprüfen, machte den Mark V bei Problemkomponisten sehr populär - über Jahre hinweg. Das Simultanspiel hingegen krankt daran, dass nicht alle Partien gleichzeitig vom Computer berechnet werden, sondern immer nur die im Display aufgerufene Stellung. Später wurde diese Funktion auch im Saitek Simultano implementiert.

Richtig bekannt geworden ist der Mark V natürlich durch seinen Sieg in der kommerziellen Gruppe der WMCCC 1981 in Travemünde. Einen sehr schönen Bericht zu den Hintergründen dieser WM gibt es bei Hein Veldhuis in der Rubrik History/Geschichte.

Zum Spielstil: Bedingt durch eine sehr selektive Suche, ist der Mark V taktisch sehr anfällig. Das macht sich besonders bei kurzen Bedenkzeiten bemerkbar. Während viele andere selektive Schachprogramme einen eher ruhigen, positionellen Spielstil pflegen, habe ich mit dem Mark V gegenteilige Erfahrungen gemacht. Er liebt geradezu Verwicklungen und komplizierte Stellungen - die er leider häufig in den Sand setzt. Auch die Eröffnungsbibliothek ist sehr ungewöhnlich. So spielt er gegen Sizilianisch auschließlich Nebenvarianten wie 2. b3 oder Sc3. Mitunter wird auch mal ein Budapester Gambit eingestreut, während er eine bekannte Eröffnung wie Italienisch gar nicht kennt.

Hier sind Partien aus dem U1600-Turnier auf schachcomputer.info:

Partie 1: SciSys Superstar 28K-SciSys Mark V 0:1 Eine echte Überraschung!
Partie 2: SciSys Mark V-Novag Mentor 0:1
Partie 3: Mephisto MM I-SciSys Mark V 1:0
Partie 4: SciSys Mark V-Fidelity Elite Travemünde 0:1
Partie 5: Saitek Team Mate-SciSys Mark V 1:0
Partie 6: SciSys Mark V-Fidelity Sensory 9 0:1
Partie 7: Morphy Master Chess 4MHz-SciSys Mark V 1:0
Partie 8: SciSys Mark V-Sargon ARB 3.0 0:1
Partie 9: Mephisto Mirage-SciSys Mark V 1/2
Partie 10: Scisys Mark V-Mephisto III 0:1

Damit am Ende der erwartete letzte Platz. In vielen Partien war es lange Zeit spannend (z.B. gegen den Elite Travemünde), doch grobe Schnitzer verhinderten eine bessere Punktausbeute. Das Nachfolgemodul Mark VI/Philidor, auf das man geschlagene zwei Jahre warten musste, war nur unwesentlich verbessert worden und lief auf der gleichen - damals schon betagten - Hardware. Das Bedienkonzept wurde von SciSys zugunsten von Schachcomputern mit Sensorbrett verworfen.