Montag, 30. November 2020

Fidelity Elegance - klein & fein

Laut Wikipedia hat der Fidelity Elegance einen Eintrag in der "Hall of Fame": Es ist das kleinste Vollholz Magnetsensorbrett der Welt. Die Außenmaße und Umrandung sind identisch zum Sensory 12, statt der Metallplatte und Drucksensoren wurden beim Elegance gut ansprechende Reed-Kontakte und 64 Feld-LEDs in einem schönen Schachfeld aus Holz verbaut. Den Schachfiguren hat man einen dicken, starken Magnetsockel spendiert, so dass man beim Setzen der Figuren etwas aufpassen muss, sonst hat man direkt 2-3 Stück in der Hand😄. Das Schachprogramm ist leicht an der alternierend aufleuchtenden Anzeige der YOUR MOVE - CHECK LEDs zu erkennen; eindeutig das Glasgow-Programm.

Um dies zu untermauern hier ein paar Stellungen aus dem Colditz-Test zum Vergleich. Wie man sieht passt der Zeitabstand gut, wie auch bei allen anderen Stellungen des Colditz-Tests.

Colditz Nr. 11: ...Dxf4

Prestige Glasgow 4MHz = 04:32 Min. -  Elegance 3,6MHz = 04:50 Min.

Colditz Nr. 12: ...Td1

Prestige Glasgow 4MHz = 06:14 Min. - Elegance 3,6MHz = 06:37 Min.

Colditz Nr. 20: Sf6+

Prestige Glasgow 4MHz = 05:59 Min. - Elegance 3,6MHz = 06:29 Min.


Eine Besonderheit an meinem Elegance befindet sich am seitlichen Modul-Slot. Dort ist ein Schalter angesetzt, mit dem der Ton an/ausgeschaltet werden kann. Natürlich lässt sich dies auch über die Optionen einstellen, aber anscheinend wollte man es schneller und einfacher haben. Leider wusste der Vorbesitzer keine Einzelheiten dazu, ob dieser Elegance ab Werk so verkauft wurde. Ich werde über einen Fachmann prüfen lassen, inwieweit dadurch der Einschubschacht noch für Eröffnungsmodule nutzbar ist. Den Namen trägt der Fidelity jedenfalls zu recht - klein und fein.

Donnerstag, 19. November 2020

Das mysteriöse Fidelity F-Book

Ein Prunkstück meiner Sammlung ist ein Fidelity Elite A/S Glasgow der Firma RCS. Gegründet Ende 1985 vom ehemaligen Geschäftsführer von Fidelity Deutschland Peter Reckwitz und spezialisiert auf Tuning der Fidelity Geräte. Der abgebildete Glasgow wurde auf 8 MHz Speed gebracht und zusätzlich das seltene Grandmaster Book mit der Enzyklopädie der Schacheröffnungen installiert. Wie im Informator teilen sich diese auf nach ECO-Codes von A-E, ursprünglich in 5 einzelne Module mit insgesamt rund 73.000 Halbzügen. Um die Nutzung zu vereinfachen, wurden die kompletten GM-Books im Glasgow verbaut. Mittels Drehschalter kann man jedes Book einzeln ansteuern von A-E mit automatischen Querverweisen innerhalb der Eröffnung. Einen Wechsel erkennt der Fidelity sofort und zeigt im Display das entsprechende Book an, auf welches man nach kurzer Stromunterbrechung dreht. Eine schöne Sache!

Schaut man genau hin, sieht man auf dem Glasgow eine zusätzliche Rasterung mit "F" gekennzeichnet. Dahinter verbirgt sich ein separates Eröffnungsbuch ohne Verbindung zu den GM-Books. Lange war ich irritiert was es mit diesem "F-Book" auf sich hat, doch durch einen Thread im Hiarcs-Forum von Gerhard Vetter ist dieses Rätsel eventuell gelöst. Das F-Book spielt mit Weiß IMMER 1.e4 und als Schwarzer gegen 1.e4 c5 - da liegt die Vermutung nahe es könnte sich um das nie erschienene Sicilian Variation Modul handeln. Sofort machte ich mich an Tests, die aber schnell zeigten: Es sind nur wenige Varianten im Sizilianer wirklich tief gespeichert. Als Weißer kommt aktiv Rossolimo oder Najdorf aufs Brett, mit Schwarz meist die beschleunigte Drachenvariante.

Beschleunigte Drachenvariante (als Schwarzer): 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 g6 5.Sc3 Lg7 6.Le3 Sf6 7.Lc4 Da5 8.0-0 0-0 9.Lb3 d6 10.h3 Ld7 11.f4 Sxd4 12.Lxd4 Lc6 13.Sd5 Tfe8 14.Lxf6 Dc5+ 15.Kh2 Lxd5 16.Lxg7 Lxb3 17.Lc3 Lc4 18.Tf3 Tad8 Buchende +0,30 Bewertung LV3

Rossolimo-Variante (als Weißer): 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 e6 4.0-0 Sge7 5.c3 a6 6.Lxc6 Sxc6 7.d4 d5 8.e5 Le7 9.Te1 0-0 10.Sbd2 Ld7 11.Sf1 Buchende +0,23 Bewertung LV3

Najdorf (als Weißer): 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.f4 e5 7.Sf3 Dc7 8.Ld3 Le7 9.0-0 0-0 10.De1 Sbd7 11.Kh1 b5 12.fxe5 dxe5 13.Lg5 b4 14.Sd5 Sxd5 15.exd5 Ld6 16.Sh4 Sc5 17.Lf5 f6  18.Le3 a5 19.Lxc8 Tfxc8 20.Sf5 Lf8 21.Dg3 Se4 22.Dg4 Dxc2 23.Tac1 Dd3 24.Se7+ Buchende

Weitere tief gespeicherte Abspiele:

Scheveninger: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e6 6.Le2 a6 7.0-0 Dc7 8.f4 Sc6 9.Le3 Le7 10.De1 0-0 Buchende

Löwenthal: 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 e5 5.Sdb5 a6 6.Sd6+ Lxd6 7.Dxd6 Df6 8.Dd1 Dg6 9.Sc3 Sge7 10.h4 h5 11.Lg5 d5 12.dxe5 Buchende

Schaut man sich seltenere Abspiele an, so fallen diese recht kurz aus mit teilweise seltsamen Zügen. So sieht m.E. kein komplettes Repertoire für Sizilianisch aus, es scheint mir eher eine Art "Spezialbuch für Computerturniere" zu sein. Man versucht bestimmte Varianten zu vermeiden und falls sie doch aufs Brett gelangen den Gegner schnell aus dem Buch zu werfen.

Alapin: 1.e4 c5 2.c3 a6?! 3.Sf3 (Theorie) und Buchende. Spielt das F-Book Alapin komplett alleine folgt nach 2.c3 a6 3.Sh3?! Sh6?! 4.De2 a5 Buchende +0,34 Bewertung LV3

2.e6 Variante: 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.Tg1? Buchende

Morra-Gambit: 1.e4 c5 2.d4 cxd4 3.c3 dxc3 4.Sxc3 Sc6 Buchende -0,45 Bewertung LV3

Geschlossener Szilianer: 1.e4 c5 2.Sc3 Sc6 3.g3 g6 4.Lg2 Lg7 5.d3 d6 6.Le3 Buchende +0,09 Bewertung LV3

Sveschnikov: 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e5 6.Sdb5 d6 Buchende +0,23 Bewertung LV3

So weit zu Sizilianisch. Wahrscheinlich hat man für das "F-Book" die Dateien vom geplanten "Sicilian Variation" Modul verwendet hat. So konnte man diese wenigstens noch verwenden. Eventuell ist das "F-Book" auch unter Mitwirkung vom Eröffnungsspezialisten Boris Baczynskyi entstanden, der von 1982-84 bei Fidelity unter Vertrag stand. Genaueres werden wir wohl nicht mehr erfahren.

Das F-Book bietet aber nicht nur Sizilianisch; es ist ein vollwertiges Eröffnungsmodul für 1.e4 als Weißer und für diverse Eröffnungen als Schwarzer. So spielt es z.B. gegen 1.d4 gerne Holländisch oder gegen 1.f4 auch mal das Froms Gambit. Auf jeden Fall eine Bereicherung in der Fidelity Sammlung.